Kulturtechniken und ihre Medialisierung
Schwerpunkt der Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE)
Projektleitung: Prof. Dr. Peter Haslinger
Projektförderung: Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE), Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Laufzeit: 2008 – 2012
Der LOEWE-Schwerpunkt „Kulturtechniken und ihre Medialisierung“ thematisiert das Phänomen, dass sich Kulturtechniken als Prozesse verändern, wie sich diese Veränderungen auf „kulturelle Produkte“ auswirken und dabei die gesellschaftlichen Praktiken des Umgangs mit ihnen ständig angepasst werden.
Die Digitalisierung der Chronik des Gettos Lodz/Litzmannstadt
Bearbeitung: Dr. Markus Roth
Dieses digitale Editionsvorhaben ist ein Teilprojekt des LOEWE-Schwerpunkts „Kulturtechniken und ihre Medialisierung“ und wird in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Medien und Interaktivität
(ZMI) und der Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der Justus-Liebig-Universität Gießen durchgeführt.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Haslinger und Prof. Dr. Uwe Wirth widmet es sich der Erstellung einer Online-Version der 2007 in Buchform veröffentlichten „Chronik des Gettos
Łódź/Litzmannstadt“, in der tagesaktuell aus dem Leben und Sterben im Getto zwischen 1940 und 1944 berichtet wird. Angestrebt ist nicht allein die Digitalisierung des Materials, sondern dessen Erweiterung um Informationen in anderen Medienformaten, ggf. auch aus Sammlungsbeständen des Herder-Instituts, und in einem weiteren Schritt deren Ausbau zu einem multimedialen Informationsportal, in das über Schnittstellen zusätzliche Ressourcen aus dem Internet eingebunden
werden. Parallel zum Projekt entsteht beim Hessischen Rundfunk eine Audio-Version der Getto-Chronik, die in das Portal integriert werden soll. Mit dem Staatsarchiv Łódź/Lodz wurde überdies eine enge Kooperation vereinbart.
Parallel zu der deutschen Version wird dort eine polnische Fassung der letzten zwölf Monate der Getto-Chronik erarbeitet, die in das Portal integriert werden soll. Das Staatsarchiv Łódź/Lodz stellt außerdem Faksimiles des Originals sowie zahlreicher Dokumente, die in der Chronik oder ihrer Kommentierung genannt werden, ebenso zur Verfügung wie Fotos aus dem Getto.
Kommunistische Geschichts- und Medienpolitik in Polen 1944-1989: Die Holocaust-Darstellung und deren Rezeption
Das Dissertationsprojekt hat das Ziel, die Darstellung und Relevanz des Holocaust im polnischen Fernsehen in den Jahren von 1968 bis 1989 zu untersuchen. Dabei sollen insbesondere Täter- und Opferkonstruktionen und die Sendepolitik des Staatsfernsehens in den Blick genommen werden. Kontextualisiert wird die Untersuchung der televisuellen Erinnerungspolitik mit den Diskursen um den Holocaust innerhalb der Geschichtswissenschaft und der Publizistik und fragt nach den Grenzen des Sag- und Zeigbaren in den verschiedenen Diskursarenen sowie nach deren Interdependenzen.
Im Fokus der Untersuchung soll einerseits die Dekade des „Organisierten Vergessens“ (Marcin Zaremba), d.h. die 1970er Jahre, stehen, in der der Holocaust im polnischen Fernsehen (und nicht nur dort) nahezu vollständig marginalisiert wurde. Es soll erforscht werden, ob diese Marginalisierung auch innerhalb der Gesellschaft vorherrschte, oder ob es Versuche gab, besonders an neuralgischen Erinnerungsmomenten wie dem Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto, die Marginalisierung zu durchbrechen. Dabei soll diese Frage in einem kulturgeschichtlichen Rahmen eingebettet werden.
Das Ende der 1970er Jahre, der erinnerungskulturelle Umbruch, bildet einen weiteren Untersuchungsschwerpunkt. Zwar wurde die Serie „Holocaust“ während der kommunistischen Herrschaft in Polen nicht ausgestrahlt, dennoch stellte sie einen Impuls für die Auseinandersetzung mit der Ermordung der europäischen Juden und deren Erinnerung dar. Auch im Polnischen Fernsehen ließ sich in den frühen 1980er Jahren – ähnlich wie in Westeuropa und den USA – ein vermehrtes Interesse an den Holocaust thematisierenden Sendungen feststellen.
1985 handelte das Polnische Fernsehen hinsichtlich der sensiblen Problematik, die sich aus dem Ausland kommend mit dem polnisch-jüdischen Beziehungen während des Zweiten Weltkriegs auseinandersetzte, anders als zuvor bei „Holocaust“: Als Claude Lanzmanns Film „Shoah“ in den westeuropäischen Fernsehprogrammen ausgestrahlt wurde, folgte das Polnische Fernsehen diesem Beispiel und strahlte eine Kurzfassung des Dokumentarfilms aus, in dem alle Polen betreffenden Elemente gezeigt wurden.
Die Ausstrahlung von Claude Lanzmanns Film bildete den Auftakt zu einer stark vermehrten Auseinandersetzung (nicht nur im Fernsehen) mit der Thematik, die an dem geradezu als „Explosion“ zu bezeichnenden Anstieg der Ausstrahlungshäufigkeit von den Holocaust thematisierenden Sendungen abzulesen ist. Die Untersuchung wird letztendlich versuchen, zu ergründen, welche Faktoren in den Jahren 1978/79 bis 1985 – von der Nicht-Ausstrahlung von „Holocaust“ bis hin zu „Shoah“ – und darüber hinaus bis zum Ende der kommunistischen Herrschaft innerhalb der Erinnerungspolitik und -kultur, der Geschichtswissenschaft und nicht zuletzt innerhalb der Medienlandschaft grundlegenden Wandlungen unterworfen waren, die die „Wiederentdeckung“ der Erinnerung an die Vernichtung der europäischen Juden und die Thematisierung der polnisch-jüdischen Beziehungen während der Besatzung (auch im Fernsehen) förderten. Insbesondere soll auch an dieser Stelle die Frage nach neuen narrativen Elementen gestellt werden.
Die Geschichte der Sammlungsbestände des Herder-Instituts. Kulturtechniken und ihre Anwendungen als Praktiken des Suchens und Findens
Bearbeitung: Antje Coburger M.A.
Im Rahmen des LOEWE-Teilprojektes B 4 „Praktiken des Suchens und Findens“ wird die Geschichte der Sammlungsbestände des Herder-Instituts seit seiner Gründung 1950 untersucht. Dabei werden Fragen nach der Überlieferungsgeschichte, der Provenienz und auch der Motivation für das Sammeln gestellt. An der Entstehung der Sammlungen waren unterschiedliche Akteure beteiligt. Ihre Beteiligung an der Errichtung von Wissensordnungen, im Sinne von Wissen über vorhandene Bestände, ist eine der zu untersuchenden Fragestellungen. Die Bestände haben in verschiedenen Phasen der Institutsentwicklung auf sehr differenzierte Weise wachsen können. Manches wurde gezielt erworben, anderes ist Produkt von Tauschverhandlungen und wieder andere Objekte kamen eher zufällig im Rahmen von Nachlässen in das Herder-Institut. Sehr früh wurde mit der Anlage einer Bibliothek die Sammlung von Fachliteratur ermöglicht. Bilder und Archivalien fanden sich erst später als institutsinterne Sammlungsgruppen Eingang. Da das Thema unter dem Aspekt der „Praktiken des Suchens und Findens“ bearbeitet werden soll, sind die bisher benutzten Findbarkeitsstrategien am Beginn zu analysieren. Später kann nach innovativen Möglichkeiten für die Interaktion zwischen Nutzern und Bereitstellern mit dem Ziel einer erweiterten Findbarkeit gefragt werden.
Das Suchen und Bereitstellen von Daten ist auswählenden Praktiken von Seiten der Suchenden (Nutzer) und von Seiten der Bereitsteller (Findbarmacher) unterworfen. Aus diesem Grund ist beispielsweise nach der einer nachvollziehbaren und auch kalkulierbaren Findbarkeit zu fragen. Die Sammlungen des Herder-Instituts werden als Archiv betrachtet, in dem Bereitsteller ihre Bestände auf verschiedene Weise findbar machen und Nutzer vielfältige Wege haben Daten zu finden.