Digitaler Atlas politischer Raumbilder zu Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert

Projektleitung: Prof. Dr. Peter Haslinger, Dr. Anna Veronika Wendland

Projektkoordination: Dr. Alexandra Schweiger, Agnes Laba M.A., Annalena Schmidt M.A.

Projektpartner: Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung, Braunschweig, Leibniz-Institut für Länderkunde, Leipzig, Institut für Wissensmedien, Tübingen

Projektförderung: Senatsausschuss Wettbewerb (SAW) der Leibniz-Gemeinschaft

Laufzeit: 2011-2015

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Die „Wiederkehr des Raumes“ ist seit gut zwei Jahrzehnten ein großes Thema der Geschichts- und Kulturwissenschaften, der kritischen Geographie und Kartographie. Der durch die nationalsozialistische Geopolitik lange Zeit negativ belastete Raumbegriff erfährt im „visual“ und „spatial turn“ einen Bedeutungswandel. Karten werden nicht mehr als möglichst getreue Repräsentationen der Wirklichkeit angesehen, sondern man analysiert sie als raumbezogene Imagination, das heißt als Ergebnis einer schöpferischen Konstruktionsleistung von Kartographen, Staatsbeamten, Militärs, Journalisten etc. Kartenausschnittwahl, Ausblendungen und Hervorhebungen, Farbpsychologie, „Kartensprachen“, Kartenfolgen, Beziehungen zwischen Karte und den auf sie bezogenen Texten und Bildern rücken so in den Fokus.

Ostmitteleuropa bildet vor diesem Hintergrund ein gutes Beispiel für die Vielfältigkeit konvergierender und konkurrierender Raumbilder. Historische und ideologische Brüche, Flucht, Vertreibung und Migration, Staatenzerfall und -bildung und Grenzverschiebungen führten zur Etablierung bestimmter regional, kulturell aber auch global wirksamer und bis heute tradierter Raumbilder die sich in medialen und kartographischen Repräsentationen manifestierten und bis heute in bestimmten Kontexten Bestand haben.

Die interdisziplinäre Analyse und die Visualisierung, Dekonstruktion und Transparentmachung dieser Raumbilder unter Nutzung der heutigen technischen und multimedialen Möglichkeiten stellen nach wie vor ein Desiderat dar. Diese Lücke möchte das Herder-Institut in Zusammenarbeit mit dem Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung (Braunschweig), dem Leibniz-Institut für Länderkunde (Leipzig) und dem Institut für Wissensmedien (Tübingen) im Rahmen des interdisziplinären Verbundprojekts „Digitaler Atlas politischer Raumbilder zu Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert“ (DAPRO) schließen.

Als webbasiertes interaktives Lehr-, Lern- und Arbeitsinstrument wird der im Projekt zu entwickelnde digitale Atlas unter der Bezeichnung Geoimaginaries Studierenden, Dozierenden und interessierten Laien im Web zur Verfügung stehen. Er soll Nutzerinnen und Nutzern einen Einblick in die Werkstatt des Kartographen ermöglichen und die Mechanismen verdeutlichen, die hinter der Produktion von Landkarten stecken. Dabei wird es verschiedene nutzerfreundliche Einstiegsmöglichkeiten in den Atlas geben, die es erlauben, sich auf eine persönliche Reise in und durch „Räume“ zu begeben, sie zu entdecken, zu dekonstruieren und neu zu konzipieren.

Projektbild DAPRO
IfL-Atlantensammlung, Signatur: At VII 52 Tosevic, D.J. (1954): The World Crisis in Maps, New York.

Dazugehöriges Forschungsprojekt:

Grenzen des Sozialismus zu Land und zu Wasser. Die tschechoslowakische Landgrenze und polnische Seegrenze im Vergleich

Jasmin Nithammer M.A. (2011-2015)

Im Zuge des Kalten Krieges verfolgten die politischen Akteure der sozialistischen Länder eine radikale Grenzpolitik. Die Außengrenzen des sozialistischen Machtbereiches wurden nach sowjetischem Vorbild stark befestigt, um dem Sicherheitsbedürfnis der UdSSR gerecht zu werden. Die polnische Ostseeküste bzw. die dazugehörige Seegrenze und die Grenze der Tschechoslowakei zur Bundesrepublik Deutschland und Österreich bildeten einen Teil der Systemaußengrenzen des Sozialismus und gehören zu den beiden Grenzen, die ich in meinem Dissertationsvorhaben miteinander vergleiche. Die Ähnlichkeit beider Grenzgebiete, bedingt durch ihre Neubesiedlungen, das aufoktroyierte sozialistische System durch die Sowjetunion und die geostrategische Lage im Ostblock mit direkten Grenzen zum Westen bilden die Grundlage des Vergleiches der unterschiedlichen Grenzformen der Systemaußengrenzen und ihrer Bedeutung.

Der Fokus der Arbeit liegt vornehmlich auf der Untersuchung und Analyse der meinungsbildenden und gesellschaftswirksamen Produktion räumlicher Imaginationen der Systemaußengrenzen. Anhand ihrer Grenzregime und Grenzpolitik soll die Bedeutung von Räumlichkeit, Macht und Geopolitik bei der Herstellung sozialer Wirklichkeit sowie die Konstruktion, Wahrnehmung und Propagierung bestimmter Raumbilder und -konzepte im Vordergrund stehen.

Die Untersuchung der Konstruktion von Raumbildern im politischen Diskurs der genannten Länder im Zeitraum von 1948-1989 soll die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen (Staats-/Machtapparat, Grenzschutz, Öffentlichkeit) herausstellen, um dadurch Rückschlusse auf das durch die Machthaber in verschiedenen Gesellschaftssektoren geprägte Bild der Grenzen zu erhalten.

Jasmin Nithammer: Grenzen des Sozialismus zu Land und zu Wasser Die tschechoslowakische Landgrenze und die polnische Seegrenze im Vergleich (1948-1968), Studien zur Ostmitteleuropaforschung 44, Marburg 2019.