Vor- und Nachteile einer postkolonialen Perspektive für die Erforschung der nord- und ostmitteleuropäischen Regionen
Gemeinsame Tagung und Nachwuchsworkshop des Nordost-Instituts, Lüneburg und des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft, Marburg
Nachwuchsworkshop 21. bis 22. November 2023 in Lüneburg
Tagung 22. bis 24. November 2023 in Lüneburg
Call for Papers mit Bewerbungsfrist 1. Mai 2023
Der Aufruf „Dekolonisiert Euch!“ lenkt die Aufmerksamkeit auf die koloniale und postkoloniale Geschichte, die Europa mit außereuropäischen Entwicklungen verbindet. In diesem Zusammenhang entbrannte die Diskussion, inwieweit die Anwendung postkolonialer Theorien, Fragen und Ansätze auch für ein Verständnis der Geschichte des östlichen Europas neue Perspektiven eröffnen kann.
Die gemeinsam vom Nordost-Institut und Herder-Institut konzipierten Veranstaltungen, eine wissenschaftliche Tagung und ein Workshop für Nachwuchswissenschaftler:innen, nehmen diese Diskussion auf und verbinden sie mit einer kritischen Auseinandersetzung mit den postkolonialen Theorien und Ansätzen sowie ihrer Anwendbarkeit auf das östliche Europa. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Geschichte derjenigen Regionen, die im heutigen Polen, Litauen, Lettland, Estland, Belarus und der Ukraine liegen.
Die als „(post)kolonial“ gedeuteten Diskurse und Praktiken überlagerten sich dort mit anderen für multiethnische Regionen spezifischen Prozessen. So lassen sich einerseits Formen eines „Nachbarschaftskolonialismus“ ausmachen, der auf nationale Homogenisierung und Durchsetzung hegemonialer Herrschaft ausgerichtet war und von einer expliziten Zivilisierungsmission begleitet wurde. Anderseits bestanden teils über Jahrhunderte überdauernde Machkonstellationen fort, die von vornherein einen asymmetrischen Charakter besaßen und sich nicht pauschal auf ein Ausbeutungsverhältnis zwischen „Kolonisierten“ und „Kolonisatoren“ reduzieren lassen.
Bereits diese kurze Problematisierung macht deutlich, dass der von Michael Hechter 1975 am Beispiel Großbritanniens entwickelte Begriff des internal colonialism die Pluralität der nord- und ostmittel europäischen Räume nicht ausreichend zu beschreiben vermag. Zweifellos lagen auch hier den forcierten Homogenisierungsprozessen koloniale Machtdiskurse zugrunde, dennoch lässt ein mikrohistorischer Blick auf die verschiedenen regionalen und lokalen Ebenen eine multidimensionale Bandbreite der praktischen Umsetzung erkennen.
Auf beiden Veranstaltungen sollen Untersuchungsperspektiven aufgezeigt werden, wie z. B.
– die vielschichtigen Interaktionen innerhalb sozial, kulturell, ethisch, national hochdifferenzierten Gesellschaften,
– eine historische Kolonisation fern von einer linearen Prozesshaftigkeit,
– ein potentielles Scheitern kolonialer Herrschaftsstrategien,
– und die Anwendbarkeit postkolonialer Theorien auf inneneuropäische hegemoniale und imperiale Machtverhältnisse.
Auf der Tagung und dem Workshop sollen die Besonderheiten der erwähnten Regionen analysiert und die Anwendbarkeit der Fragestellungen,
Ansätze und Theorien (post)kolonialer Studien einer kritischen Reflexion unterzogen werden.
Wir laden Forschende verschiedener historischer Fachrichtungen ein, die sich mit den genannten Ansätzen beschäftigen.
Die Veranstaltung gliedert sich in zwei Teile:
– einen Workshop für Nachwuchswissenschaftler:innen am 21. und 22. November 2023, bei dem Themen und Ansätze vertieft diskutiert und For-
schungsprojekte vorgestellt werden sollen, sowie
– eine wissenschaftliche Tagung vom 22. bis 24. November 2023.
Es ist für Nachwuchswissenschaftler:innen möglich, an beiden Veranstaltungen oder nur an der Tagung oder dem Workshop teilzunehmen und dafür Beiträge vorzuschlagen.
Veranstaltungssprachen sind Deutsch und Englisch.
Für die Referent:innen werden Fahrt- und Übernachtungskosten gemäß Bundesreisekostengesetz (BRKG) übernommen. Teilnahmegebühren gibt es nicht. Bitte senden Sie Ihr Exposé in deutscher oder englischer Sprache und im Umfang von ca. 300 Wörter zusammen mit einem Kurz-CV bis zum 1. Mai 2023 an sekretariat@ikgn.de mit dem Hinweis, an welchem Teil der Veranstaltungen Sie teilnehmen wollen.