Ludvík Vaculík: Manifest der "2000 Worte"

Der Schriftsteller Ludvík Vaculík verfasst das Manifest, das am 27. Juni 1968 in verschiedenen Zeitungen erschien. Es gilt als Beispiel der Emanzipation der Öffentlichkeit und wird von vielen Intellektuellen unterzeichnet.

Das Manifest der "2000 Worte" 1

27. Juni 1968

2000 Worte, die für die Arbeiter, Landwirte, Angestellten, Wissenschaftler, Künstler und alle bestimmt sind 2
Zuerst bedrohte der Krieg das Leben unseres Volkes. Dann kamen weitere schlechte Zeiten mit Ereignissen, durch die seine Gesundheit und sein Charakter seelisch gefährdet wurden. Hoffnungsvoll nahm die Mehrheit des Volkes das Programm des Sozialismus entgegen. Doch seine Leitung geriet unrechten Menschen in die Hände. Es wäre nicht so schlimm gewesen, daß sie nicht genug staatsmännische Erfahrungen, Sachkenntnisse noch philosophische Bildung besaßen, wenn sie wenigstens über mehr Weisheit und Anständigkeit verfugten und es verstanden hätten, sich die Meinung anderer anzuhören, und wenn sie es zugelassen hätten, schrittweise durch fähigere Menschen abgelöst zu werden.
Die Kommunistische Partei, die nach dem Kriege das große Vertrauen der Menschen besaß, tauschte es allmählich für Ämter ein, solange, bis sie über alle verfugte und nichts anderes mehr besaß. Wir müssen das so sagen, und das wissen auch jene Kommunisten unter uns, die von den Ergebnissen ebenso sehr enttäuscht wurden wie die anderen. Durch die falsche Linie der Führung wurde die Partei aus der politischen Partei und dem ideologischen Bund in eine Machtorganisation umgewandelt, die große Anziehungskraft für herrschsüchtige Egoisten, berechenbare Feiglinge und Menschen mit schlechtem Gewissen gewann. Ihr Zustrom beeinflußte den Charakter und die Haltung der Partei, die im Inneren nicht so organisiert war, daß anständige Menschen in ihr ohne skandalöse Vorfälle Einfluß gewinnen konnten, um sie allmählich zu verwandeln und sie schrittweise der modernen Welt anzupassen. Viele Kommunisten kämpften gegen diesen Verfall, doch was geschah, das konnten sie nicht verhindern.
Die Verhältnisse in der Kommunistischen Partei waren das Modell und die Ursache für die gleichen Verhältnisse im Staate. Ihre Verbindung mit dem Staate führte dazu, daß sie des Vorteils verlustig ging, von der Exekutivgewalt getrennt zu sein.
Die Tätigkeit des Staates und der Wirtschaftsorganisationen hatte keine Kritik. Das Parlament arbeitete nicht, die Regierung regierte nicht und die Direktoren leiteten nicht. Die Wahlen hatten keine Bedeutung und die Gesetze verloren an Gewicht. In keinem Ausschuß konnten wir unseren Vertretern vertrauen, und konnten wir das, dann dürfte man von ihnen wiederum nichts verlangen, weil sie nichts erreichten. Doch noch schlimmer war es, daß fast einer dem anderen nicht mehr vertrauen konnte. Die persönliche und kollektive Ehre verschwand. Mit Ehrlichkeit erreichte man nichts, und über irgendeine Bewertung nach Fähigkeiten sprach man vergebens. Deshalb verloren die meisten Menschen das Interesse für öffentliche Dinge und kümmerten sich nur um sich selbst und um Geld, wobei auch zur Schlechtigkeit der Verhältnisse gehört, daß man sich heute nicht mal auf dieses Geld verlassen kann. Die Beziehungen zwischen den Menschen verschlechtern sich, die Freude an der Arbeit ging verloren, kurzum, es kamen für das Volk Zeiten, die seine Gesundheit und seinen Charakter seelisch gefährdeten.
Für den heutigen Stand sind wir alle verantwortlich, mehr aber die Kommunisten unter uns. Doch die Hauptverantwortung haben jene, die ein Bestandteil oder Instrument der unkontrollierten Macht waren. Das war die Macht einer eigensinnigen Gruppe, die sich mit Hilfe des Parteiapparates von Prag bis in jeden Kreis und in jede Gemeinde erstreckte. Dieser Apparat entschied, was jemand tun darf und was nicht, er leitete für die Genossenschafter die Genossenschaften, für die Arbeiter die Betriebe und für die Bürger die Nationalausschüsse. Keine Organisation, nicht einmal die kommunistische, gehörte in Wirklichkeit ihren Mitgliedern. Die Hauptschuld und größte Behauptung dieser Herrschaft ist, daß sie ihre Willkür als den Willen der Arbeiterschaft ausgaben. Wenn wir dieser Täuschung glauben wollten, müßten wir heute den Arbeitern die Schuld für den Niedergang unserer Wirtschaft, für die Verbrechen an unschuldigen Menschen und für die Einführung der Zensur geben, die verhinderte, daß über all das geschrieben wird. Die Arbeiter trügen die Schuld für falsche Investitionen, für die Verluste des Handels und für den Wohnungsmangel. Selbstverständlich glaubt kein vernünftiger Mensch an eine solche Schuld der Arbeiterschaft. Wir wissen alle, und das weiß besonders jeder Arbeiter, daß die Arbeiterschaft praktisch über nichts entschieden hatte. Es war jemand anders, der die Arbeiterfunktionäre abstimmen ließ. Während viele Arbeiter vermuteten, daß sie regieren, herrschte in ihrem Namen eine besonders herangebildete Schicht von Funktionären des Partei- und Staatsapparates. Sie nahmen faktisch den Platz der gestürzten Klasse ein und wurden selbst zu einer neuen Obrigkeit. Um bei der Wahrheit zu bleiben, muß man sagen, daß sich manche von ihnen dieses schlechten Spiels der Geschichte längst bewußt waren. Wir erkennen sie heute daran, daß sie Unrecht und Fehler wiedergutmachen, den Mitgliedern und den Bürgern die Entscheidungen zurückgeben und die Und 6 z und den zahlenmäßigen Stand des Angestelltenapparates einschränken. Sie gehen mit uns gegen die überlebten Meinungen der Parteimitglieder. Doch ein großer Teil von Funktionären wehrt sich gegen Veränderungen und hat bis jetzt noch Gewicht! Er hat noch immer die Macht in der Hand, besonders in den Kreisen und Gemeinden, wo er sie verdeckt und ungestraft anwenden kann.
Wir befinden uns seit Anfang dieses Jahres im Erneuerungsprozeß der Demokratisierung. Er begann in der Kommunistischen Partei. Wir müssen das sagen, und das wissen auch jene Nichtkommunisten unter uns, hier nichts Gutes mehr erwarteten. Es muß aber hinzugefügt werden, daß dieser Prozeß nicht einmal anderswo beginnen konnte. Denn es waren nur Kommunisten, die ganze zwanzig Jahre lang irgendein politisches Leben leben konnten, es war nur die kommunistische Kritik, die bei der Entstehung der Dinge dabei war und es war nur die Opposition in der Kommunistischen Partei, die das Vorrecht hatte, mit dem Gegner in Berührung zu sein. Die Initiative und die Bestrebungen der demokratischen Kommunisten sind daher nur eine Begleichung der Schuld, die die gesamte Partei bei den Nichtkommunisten hat, denen sie keine gleichberechtigte Stellung gewährte. Es gehört der Kommunistischen Partei also kein Dank; man könnte vielleicht nur anerkennen, daß sie sich ehrlich bemüht, die letzte Gelegenheit zur Rettung ihrer und der nationalen Ehre zu nutzen Der Erneuerungsprozeß bringt nichts allzu Neues. Er bringt Gedanken und Themen, von denen viele älter als die Irrtümer unseres Sozialismus sind, und andere entstanden unter der Oberfläche des sichtbaren Geschehens. Sie hätten schon längst ausgesprochen sein sollen, aber sie wurden unterdrückt.
Wir sollten nicht die Illusion haben, daß diese Gedanken jetzt durch die Kraft der Wahrheit siegen. Über ihren Sieg entschied eher die Schwäche der alten Führung, die offenbar zuerst durch das 20jährige Herrschen ermüden mußte, das niemand verhinderte. All die falschen Elemente, die schon in den Fundamenten und in der Ideologie dieses Systems verborgen waren, mußten offenbar bis zur vollen Form heranreifen. Wir dürfen daher die Bedeutung der Kritik aus den Reihen der Schriftsteller und Studenten nicht überschätzen. Eine Quelle der gesellschaftlichen Veränderungen ist die Wirtschaft. Das richtige Wort hat nur dann seine Bedeutung, wenn es in Verhältnissen gesagt wird, die herangereift sind. Unter richtigen, herangereiften Verhältnissen muß man bei uns leider unsere gesamte Armut und den völligen Zerfall des alten Regierungssystems verstehen, da sich Politiker gewissen Typs in Ruhe und Frieden auf unsere Rechnung kompromittierten. Es siegt also nicht die Wahrheit, sondern die Wahrheit bleibt einfach, wenn alles übrige vergeudet wird! Es besteht daher kein Grund zu einem nationalen Siegeszug, sondern nur ein Grund zu neuer Hoffnung.
In diesem Augenblick der Hoffnung, die aber ständig gefährdet ist, wenden wir uns an Sie. Es dauerte einige Monate, bevor viele von uns glaubten, daß sie sprechen können, doch viele glauben das nicht einmal jetzt. Wir haben aber schon so viel gesprochen und so viel aufgedeckt, daß wir unsere Absicht, dieses Regime zu vermenschlichen, auch zu Ende führen müssen. Sonst wäre die Vergeltung der alten Kräfte fürchterlich. Wir wenden uns hauptsächlich an jene, die bisher nur gewartet haben. Die Zeit, die anbricht, wird für viele Jahre entscheidend sein.
Die Zeit, die anbricht, ist der Sommer mit Ferien und Urlaub, in der wir nach alter Gewohnheit alles lassen werden. Setzen wir uns aber dafür ein, daß unsere lieben Gegner sich keine Sommerpause gönnen, ihre gebundenen Leute mobilisieren und sich schon jetzt ruhige Weihnachten einrichten dürfen. Geben wir also acht auf das, was geschehen wird, bemühen wir uns, es zu verstehen und zu beantworten. Verzichten wir auf die unmögliche Forderung, daß uns immer jemand Höheres zu den Dingen eine einzige Erklärung und ein einfaches Rezept gibt. Jeder wird seine Schlüsse selbst ziehen müssen, auf seine Verantwortung.
Gemeinsame, übereinstimmende Standpunkte können nur in Diskussionen gefunden werden, für die Meinungsfreiheit notwendig ist, die eigentlich unsere einzige demokratische Errungenschaft dieses Jahres ist.
In den nächsten Tagen müssen wir auch eigene Initiative und eigene Entscheidungen zeigen.
Vor allem werden wir solchen evtl. aufkommenden Meinungen entgegentreten, daß es möglich wäre, irgendeine demokratische Erneuerung ohne die Kommunisten oder gegen sie durchzuführen. Das wäre ungerecht, aber auch unvernünftig. Die Kommunisten haben eine gut funktionierende Organisation, in der der fortschrittliche Flügel unterstützt werden muß. Sie besitzen erfahrene Funktionäre, sie haben schließlich die entscheidenden Hebel und Drücker ständig in der Hand. Vor der Öffentlichkeit steht ihr Aktionsprogramm, das auch das Programm des ersten Ausgleichs der größten Ungleichheiten ist, und niemand anders hat ein ähnliches konkretes Programm. Es muß gefordert werden, daß sie mit ihren lokalen Aktionsprogrammen in jedem Kreis und jedem Ort vor die Öffentlichkeit treten. Hierbei wird es sich sehr schnell um recht gewöhnliche und längst erwartete richtige Taten handeln. Die KPC bereitet den Parteitag vor, auf dem das neue ZK gewählt wird. Fordern wir, daß es besser wird als das jetzige. Wenn die Kommunistische Partei heute sagt, daß sie ihre führende Position in Zukunft auf das Vertrauen der Bürger und nicht auf Gewalt stützen will, glauben wir dem soweit, soweit wir Menschen glauben können, die schon jetzt als Delegierte auf die Kreis- und Bezirkskonferenzen entsandt werden.
Die Menschen sind in letzter Zeit beunruhigt, weil der Demokratisierungsprozeß zum Stillstand gekommen ist. Dieses Gefühl ist teilweise Ausdruck der Müdigkeit aus dem aufregenden Geschehen, teilweise ist es auf die Tatsache zurückzuführen, daß die vergangene Saison eine Zeit aufsehenerregender Enthüllungen, Demissionen von hohen Funktionären und berauschender Reden von nie dagewesener Kühnheit im Wort war. Der Kampf der Kräfte hat sich nur etwas verdeckt; es wird um Inhalt und Wortlaut von Gesetzen und das Ausmaß praktischer Maßnahmen gekämpft. Außerdem müssen wir den neuen Leuten, den Ministern, Staatsanwälten, Vorsitzenden und Sekretären Zeit für die Arbeit lassen. Sie haben ein Recht auf diese Zeit, damit sie sich entweder bewähren oder unmöglich machen können. Außerdem kann man heute von den zentralen politischen Organen nicht mehr erwarten. Sie zeigten ganz unwillkürlich bewundernswerte Tugenden. Die praktische Qualität der künftigen Demokratie hängt davon ab, was in den Betrieben und mit den Betrieben geschehen wird. Bei all unseren Diskussionen haben uns letzten Endes die Ökonomen in der Hand. Gute Ökonomen müssen gesucht und genutzt werden. Es stimmt, daß wir alle im Vergleich zu den entwickelten Ländern schlecht bezahlt sind und manche noch schlechter. Wir können mehr Geld fordern - das sich drucken und damit entwerten läßt. Fordern wir lieber die Direktoren und Vorsitzenden auf, uns darzulegen, was und für wieviel sie produzieren, wem sie was zu welchem Preis verkaufen wollen, wieviel davon für die Modernisierung der Produktion investiert wird und was verteilt werden kann. Unter scheinbar langweilig klingenden Überschriften spiegelt sich in der Presse der harte Kampf um Demokratie oder die Eßschüssel wider. Hier können die Arbeiter durch die Wahl der Mitglieder für die Betriebsverwaltungen und Betriebsräte eingreifen. Als Angestellte können sie für sich am meisten tun, wenn sie ihre natürlichen Führer, fähige und ehrliche Menschen ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit als Vertreter in die Gewerkschaftsorgane wählen.
Wenn man in dieser Zeit von den gegenwärtigen zentralen politischen Organen nicht mehr erwarten kann, muß in den Kreisen und Gemeinden mehr aufgeholt werden. Fordern wir den Rücktritt der Menschen, die ihre Macht mißbrauchten, öffentliches Eigentum veruntreuten, unehrlich oder unhuman gehandelt haben. Es müssen Methoden gefunden werden, um sie zum Rücktritt zu bewegen. Zum Beispiel: die öffentliche Kritik, Resolutionen, Demonstrationen, demonstrative Arbeitsbrigaden, Geschenke sammeln für ihre Rente, Streik und Boykott ihrer Türen. Gesetzwidrige, ungehörige und grobe Methoden sind abzulehnen, weil sie zur Beeinflussung Alexander Dubceks mißbraucht würden. Unsere Abneigung vor dem Schreiben grober Briefe muß so allgemein sein, daß ein jeder Brief dieser Art, den sie noch erhalten, für einen Brief gehalten werden kann, den sie selbst haben schreiben lassen. Erneuern wir die Tätigkeit der Nationalen Front. Fordern wir öffentliche Sitzungen der Nationalausschüsse. Zu Fragen, mit denen sich niemand beschäftigen will, bilden wir eigene Kommissionen und Ausschüsse von Bürgern. Das ist ganz einfach: Es kommen ein paar Leute zusammen, sie wählen einen Vorsitzenden, führen ein ordentliches Protokoll, veröffentlichen ihren Befund, fordern eine Lösung und lassen sich nicht einschüchtern. Die Kreis- und Ortspresse, die in der Mehrzahl zum Amtsrohr degenerierte, verwandeln wir in eine Tribüne aller positiven politischen Kräfte; fordern wir die Bildung von Redaktionsräten aus Vertretern der Nationalen Front oder schaffen wir andere Zeitungen. Gründen wir Komitees zum Schutze der Meinungsfreiheit. Organisieren wir bei allen Versammlungen einen eigenen Ordnungsdienst. Wenn wir komische Nachrichten hören, so überprüfen wir sie, schicken wir Delegationen zu den kompetenten Stellen, deren Antwort wir vielleicht an Türen veröffentlichen. Unterstützen wir die Organe der Sicherheit, wenn sie wirkliche Straftaten fahnden. Unser Bestreben ist nicht, Stillstand oder einen Zustand allgemeiner Unsicherheit zu schaffen. Gehen wir Streitigkeiten mit den Nachbarn aus dem Wege, ersaufen wir nicht in politischen Zusammenhängen. Decken wir Spitzel auf!
Die lebhafte Sommerbewegung in der ganzen Republik wird ein Interesse für die Regelung der staatsrechtlichen Beziehungen zwischen den Tschechen und Slowaken hervorrufen. Wir halten die Föderalisierung für eine Methode zur Lösung der Nationalitätenfrage; zum anderen ist das nur eine von den wichtigen Maßnahmen zur Demokratisierung der Verhältnisse. Diese Maßnahme allein kann auch den Slowaken kein besseres Leben bringen. Das Regime - extra in den tschechischen Ländern, extra in der Slowakei - wird dadurch noch nicht gelöst. Die Herrschaft der Partei- und Staatsbürokratie kann andauern, in der Slowakei sogar umsomehr, weil sie „größere Freiheit erkämpft hat".
Große Beunruhigung geht in der letzten Zeit von der Möglichkeit aus, daß in unsere Entwicklung ausländische Kräfte eingreifen könnten. Auge in Auge mit ihrem Übergewicht können wir nur anständig auf dem unseren beharren und nichts anzetteln. Unserer Regierung können wir klarmachen, daß wir hinter ihr auch mit der Waffe in der Hand stehen werden, wenn sie das tun wird, wozu wir ihr das Mandat geben, und unseren Alliierten können wir versichern, daß wir die Bündnis-, Freundschafts- und Handelsverträge erfüllen werden. Unsere nervösen Vorwürfe und argumentslosen Verdächtigungen müssen die Lage unserer Regierung nur erschweren, ohne daß sie uns helfen. Gleichberechtigte Beziehungen können wir nur dadurch sichern, daß wir unsere inneren Verhältnisse auf eine hohe Qualität bringen und den Ereuerungsprozeß so weit führen werden, bis wir einmal bei den Wahlen solche Staatsmänner wählen werden, die so viel Mut, Ehre und politisches Gewissen besitzen, um solche Beziehungen zu konstituieren und aufrechtzuerhalten. Das ist übrigens das Problem absolut aller Regierungen, aller kleineren Staaten der Welt!
Wie nach dem Kriege, so haben wir auch im diesjährigen Frühling erneut eine große Gelegenheit. Wir haben wieder die Möglichkeit, unsere gemeinsame Sache, die den Arbeitstitel Sozialismus trägt, in die Hände zu nehmen und ihr eine Form zu geben, die besser unserem früheren guten Ruf als auch der verhältnismäßig guten Meinung entsprechen würde, die wir früher über uns hatten. Dieses Frühjahr ist eben beendet und kommt nicht mehr zurück. Im Winter werden wir alles erfahren.
Damit endet diese, unsere Erklärung an die Arbeiter, Bauern, Beamten, Künstler, Wissenschaftler, Techniker und an alle. Geschrieben wurde sie auf Anregung von Wissenschaftlern. Die Unterschriften sind keine vollständige Sammlung der Zustimmung, sondern nur ein Muster der verschiedenen Gruppen der Bevölkerung, je nachdem, wen man erreichen konnte.


Nationalkünstler Benno Blachut, Mitglied der Oper des Nationaltheaters in Prag
Prof. Dr. Jan Brod, Direktor des Instituts für Kreislaufkrankheiten in Prag
Marie Buszkova, Schweinezüchterin, [Chotebuz] Cottbus
Akademiker Bohumil Bydzovsky, Mathematiker
Dozent Dr. Jiří Cvekl, Philosoph
Vĕra Cáslavská, Olympiasiegerin
Zdenĕk Cechrak, Arbeiter bei ČKD
Zdenĕk Fiala, Techniker bei  ČKD
Milan Hanuš, Arbeiter bei  ČKD
Jiri Hanzelka, Schriftsteller
Miroslav Holub, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Mikrobiologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften
Zdenĕk Holec, Arbeiter bei ČKD
Rudolf Hrušinský, Schauspieler und Regisseur
Dusan Hrúza, Arbeiter bei ČKD
Jan Chocena, Einzelbauer, [Chotebuz] Cottbus
Jaromil Jireš, Filmregisseur
Prof. Dr. Dr. Vilo Jurkovič, Direktor der zweiten Internen Klinik der Medizinischen Fakultät der Karlsuniversität in Hradec Králove
Prof. Dr. Dr. Vera Kadlecová, Direktorin der Augenklinik des Fakultätskrankenhauses der Karlsuniversität in Prag
Prof. Dr. A. Knop, Pädagogisches Institut in Ostrava Karel Kosík, Philosoph Jaromir Koutek, Geologe Otomar Krejča, Regisseur
Prof. Dr. Dr. Jiri Král, Direktor des Instituts für Sportmedizin in Prag
Ingenieur Miroslav Král, Parteihochschule der KPC
Karel G. Krautgartner, Dirigent des Tanzorchesters des čsl. Rundfunks
Prof. Dr. Dr. Vladislav Krúta, Direktor des psychologischen Institutes der J. E. Purkyne-Universität in Brno, Akademie-Mitglied
Vilem Laufberger, Direktor des Laboratoriums für graphische Untersuchungsmethoden in Prag
Prof. Dr. Pavel Lukl, Direktor der Internen Klinik der Palacký-Universität in Olomouc, Vorsitzender der Kardiologischen Gesellschaft und Vizepräsident der europäischen Kardiologischen Gesellschaft
Zuzana Marysová, Staatsgut [Chotĕbuz] Cottbus
Jiří Mencl, Regisseur Vladimir Mostecky, Technicker bei  ČKD
Josef Neversil, Arbeiter bei  ČKD
Jaroslav Nĕmec, Arbeiter bei  ČKD
Božena Pátková, Rechtsanwältin in Prag
Dipl -Ing. Emil Petýrek, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Direktor des Bergbauinstituts der Akademie der Wissenschaften
Yvonne Pfenosilová, Sängerin
Prof. Dr. Otaka Popa, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Leiter der 3. Abt. des Physiologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften in Prag
Prof. Dr. Dr. Jaroslav Prochaska, Leiter der Chirurgischen Klinik des Fakultätskrankenhauses in Hradec Králové/Königsgrätz
Alfred Radok, Volkskünstler, Regisseur
Emil Radok, Filmregisseur
Jiří Raska, Olympiasieger
Jaroslav Seifert, Volkskünstler
Prof. Dr. V. Sekla, Leiter des Biologischen Instituts der Karls-Universität in Prag
Zdĕnek Servit, Akademie-Mitglied, Dr., Leiter des Physiologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften in Prag
Jiří Slama, Dozent, Ing., Forschungsinstitut für Ökonomie der Industrie und des Bauwesens in Prag
Oldřich Starý, Prof. Dr. Dr., korresp. Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Rektor der Karls-Universität in Prag
Jiří Snišek, Techniker von  ČKD
Jiří Suchý, Dichter
Vojmir Ševčik, Dr., Bezirkstraumatologe, Nordmährischer Bezirk Ostrava
Jiří Slitr, Komponist
Karel Silha, Arbeiter in ČKD
Václav Šroub, Arbeiter in ČKD
Jan Švanknajer, Filmregisseur
Vladislav Tendl, Dr. Prof., Kabinett für Theorie und methodologische Wissenschaften der Akademie der Wissenschaften in Prag
Jiří Trnka, Volkskünstler, Regisseur, bildender Künstler
Marie Tomačová, Schauspielerin
Josef Topol, Schriftsteller
Jan Třiska, Künstler
Ludvik Vaculik, Journalist (Autor dieses Textes)
Karel Vojiř, Arbeiter in  ČKD
Jan Vanysek, Dr. Dr. Prof., Prorektor der Universität Purkyne in Brno
V. Vejdevský, Prof. Dr. Dr., Leiter der Augenklinik der Palacký-Universität in Olomouc
Jiří Valaminský, Dozent Dr., Bezirksinternist, Nordmährischer Bezirk Ostrava
Viktor Vörös, Arbeiter in  ČKD
Jan Werich, Volkskünstler
Otto Wichterle, Akademie-Mitglied, Direktor des Instituts für Makromolekulare Chemie der Akademie der
Wissenschaften in Prag
Jaroslav Vojta, Volkskünstler, Mitglied des Nationatheaters
Emil Zátopek, Oberst, Olympiasieger
Dana Zátopková, Olympiasiegerin
Jindřich Zogata, Ing., Agronom, Karvina

 

 

1 Siehe hierzu Tůma, Die Dubček-Ära, in: Karner – Tomilina – Tschubarjan u. a., Prager Frühling. Beiträge.

2 Zeitgenössische Übersetzung des Originals, entnommen aus „Práce“, 27. 6. 1968. Auf dem Dokument steht der Vermerk: „Übersetzung/Jančová“.

Quelle
Ludvík Vaculík: Manifest der "2000 Worte", in: Karner, Stefan - Tomilina, Natalja - Tschubarjan, Alexander u.a. (Hrsg.): Prager Frühling. Das internationale Krisenjahr 1968. Dokumente, Köln u.a. 2008, S. 139-147. 
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Erstellt
07.05.2014 
Zuletzt geändert
26.04.2018 

Es wird empfohlen, die Quellen stets in der Originalsprache zu zitieren.

Ludvík Vaculík: Manifest der "2000 Worte", in: Herder-Institut (Hrsg.): Dokumente und Materialien zur ostmitteleuropäischen Geschichte. Themenmodul "Sowjetische Hegemonie in Ostmitteleuropa (1922-1991)", bearb. von Guido Hausmann, Dimitri Tolkatsch und Jos Stübner. URL: https://www.herder-institut.de//digitale-angebote/dokumente-und-materialien/themenmodule/quelle/1486/details.html (Zugriff am )