Schwerpunktbereich besucht Dokumentationszentrum in Berlin

Vernetzung und Blick hinter die Kulissen

Vom 16. bis zum 17. März 2023 reiste der Schwerpunktbereich „Historische Erinnerung und kulturelles Erbe: Vertriebene und Spätaussiedler in Hessen seit 1945“ aus Gießen und Marburg zu einem Workshop nach Berlin. In der Hauptstadt machten sich die hessischen Forscher:innen mit dem Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung bekannt.

Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Foto: Hilke Wagner
Das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin. Foto: Hilke Wagner

Das zweitägige Programm begann mit einem Rundgang durch das Zentrum. Dr. Nils Köhler, Bereichsleiter Dokumentation & Forschung, führte das hessische Team durch die Ausstellung und erklärte, wie diese zu ihrer jetzigen Form kam: Neben politischen Kontroversen und didaktischen Konzepten prägten auch denkmalschutzbedingte architektonische Vorgaben und unerwartete Schenkungen spezieller Objekte die Spannweite dessen, was auf zwei Ebenen betrachtet werden kann. Dabei war den Konzipierenden wichtig, das Zentrum nicht als Gedenkstätte zu gestalten. Auch eine ethnografische Schau vermied man bewusst. Stattdessen wurde Wert darauf gelegt, das Thema Flucht und Vertreibung im Zusammenhang der Geschichte des 20. Jahrhunderts angemessen zu kontextualisieren.

Rundgang durch die Ausstellung mit Dr. Nils Köhler. Foto: Hilke Wagner
Rundgang durch die Ausstellung mit Dr. Nils Köhler. Foto: Hilke Wagner

Spannender Ausstellungsrundgang

So kommen Besucher:innen des Dokumentationszentrums im ersten Stock zunächst in einen offenen Bereich, der Flucht und Vertreibung als wiederkehrendes Phänomen insbesondere seit dem 20. Jahrhundert illustriert. Dort werden Ursachen wie Nationalismus, Krieg und Grenzverschiebungen dargelegt, sowie über verschiedene Flüchtlingsgruppen hinweg wiederkehrende Erfahrungen von Gewalt, Verlust, Flucht und dem Leben in Lagern anhand von Objekten und Zeitzeugenberichten dargestellt. Hier thematisiert die Ausstellung auch das Entstehen von ikonischer Bildsprache und Narrativen sowie die Spielarten des Erinnerns selbst. So wird etwa ein Bullauge des am 30. Januar 1945 versenkten Schiffes „Wilhelm Gustloff“, bei dessen Untergang viele Flüchtlinge ums Leben kamen, in diesem Bereich präsentiert, und bewusst nicht im zweiten Stock, der sich vornehmlich mit der Flucht und Vertreibung der Deutschen befasst. Diese zweite, als chronologischer Rundgang aufgebaute Ebene der Ausstellung beginnt inhaltlich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und spannt den Bogen über den zweiten Weltkrieg, die Phasen von Flucht, Vertreibung und Integration bis hin zu Spätaussiedlung und der allmählichen Auflösung der Heimatstuben in der aktuellen Zeit.

Bullauge der „Wilhelm Gustloff“. Foto: Markus Krzoska
Bullauge der „Wilhelm Gustloff“ im ersten Stock der Ausstellung. Foto: Markus Krzoska

Produktive Arbeitsatmosphäre

Am Freitag, den 17.3., intensivierten die Teilnehmenden die inhaltliche Arbeit in zwei Sitzungen in den Räumen des Zentrums. Mit Prof. Dr. Peter Haslinger, Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg, Prof. Dr. Hannah Ahlheim, Projektkoordinator Markus Krzoska, den Promovierenden Xenia Fink, Nora Theml und Hilke Wagner, Mitarbeiter Dariusz Gierczak sowie Hilfskräften Felix Herrmann und Peter Hübner war das gesamte Team des Schwerpunkts zugegen. Eine Besprechung diente der Vernetzung: Von Berliner Seite trugen neben Dr. Nils Köhler auch Archivar Jörg Schlösser sowie Stefan Auch, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zeitzeugenarchiv, zu einem produktiven Gespräch zwischen den Institutionen bei. Man tauschte Erfahrungswerte bei Forschung und Recherchen aus und entwarf zukünftige Kooperationsmöglichkeiten. Zusammenarbeit ist etwa im Bereich der Langzeitarchivierung von Forschungsdaten, der wechselseitigen Vermittlung von Interviews und Kontakten, und natürlich der Nutzung von Beständen denkbar. Besonders im Bereich der Arbeit mit Zeitzeug:innen wurden methodische, zwischenmenschliche und rechtliche Aspekte im Umgang mit den Erinnernden, deren persönlichen Daten und Aufnahmen erörtert. Der methodische Austausch war vor allem für die drei Doktorandinnen des Schwerpunktbereichs von Bedeutung, die sich in den folgenden Monaten und Jahren ganz praktisch mit dem Thema auseinandersetzen werden.

Workshop von Schwerpunktbereich und Dokumentationszentrum. Foto: Laurids Ponßen
Gemeinsamer Workshop von Schwerpunktbereich und Dokumentationszentrum. Foto: Laurids Ponßen

In einer zweiten, internen Sitzung diskutierte das Team des Schwerpunktbereichs Stand und Zuschnitt ebendieser drei Promotionsprojekte: Nora Theml führt ihre Forschungen anhand von Oral History durch. Dabei interessieren sie vor allem das Verständnis von Heimat sowie die Überlieferung von Themen rund um Flucht, Vertreibung und Ankommen im Familiengedächtnis. Xenia Finks Forschungen führen sie in verschiedene Archive, in denen die Integration der Geflüchteten und Vertriebenen in Hessen dokumentiert ist. Sie legt ihren Fokus auf wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte. Hilke Wagner befasst sich mit der Überlieferung zu Flucht und Vertreibung im digitalen Raum. Konzepte aus den Memory Studies und den Medienwissenschaften sollen sich dabei mit historischer Quellenanalyse und Methoden aus den Digital Humanities ergänzen.

Die Kolleg:innen des Schwerpunktbereichs „Historische Erinnerung und Kulturelles Erbe“ kehrten mit vielen Impressionen und neuen Anregungen nach Hessen zurück und freuen sich auf weiterhin guten Austausch mit dem Team des Berliner Zentrums.

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