MiniCon – Werknormdaten der Musik

Zusammen mit circa 170 anderen Interessierten habe ich am 7. Juni 2021 im Rahmen der GNDCon 2.0 bei einer virtuellen MiniCon – Musik unter dem Titel „Werknormdaten der Musik“ teilgenommen. Angesprochen waren hier neben Bibliothekar*innen vor allem Musik- und Kulturwissenschaftler*innen, auch um eine bessere Vernetzung von Bibliothek und Wissenschaft auf der Basis von Werknormdaten der Musik anzuregen. Bei meiner Arbeit in der Forschungsbibliothek des Herder-Instituts erstelle ich zahlreiche neue Werknormdatensätze in der Gemeinsamen Normdatei (GND) und es hat mich natürlich sehr interessiert, welche Rolle solche Datensätze in der wissenschaftlichen Arbeit überhaupt spielen. Dieser Aspekt zählt auch zu den Themen, die das Konsortium NFDI4Culture aktuell bearbeitet. Daher ging die Einladung zur MiniCon auch von NFDI4Culture in Zusammenarbeit mit SLUB Dresden und RISM Digital Center aus.

Definitionsbedarf für „Werk“

Den Anfang machte ein kurzer Impulsvortrag von Laurent Pugin (RISM Digital Center Bern) mit vergleichenden Analysen des Musik-Werknormdatenbestands in der GND und anderen Normdaten-Hubs (Bibliothèque nationale de France, VIAF, IMSLP und MusicBrainz). Hier war für mich vor allem der Hinweis auf MusicBrainz interessant, da ich diese Online-Musik-Enzyklopädie bislang noch nicht gekannt hatte. Herr Pugin stellte in seinem Vortrag eines der Hauptprobleme von Normdatenbanken dar, nämlich die unterschiedliche Definition von „Werk“ in der Musik. Dies war auch eines der Hauptthemen in der späteren Diskussionsrunde.

Ein zweiter Impulsvortrag kam von Katrin Bicher (SLUB Dresden), die ein Praxisbeispiel der Nutzung von GND-Daten in wissenschaftlichen Projekten vorstellte. Auch sie thematisierte das Problem der genauen Definition von „Werk“, kritisierte aber auch die inkonsistenten Angaben bestimmter Werkmerkmale wie z.B. Gattung oder Besetzung sowie die mangelnde Granularität der Daten. Angesprochen wurden auch die fehlende Versionierung und die fehlende Adressierbarkeit bestimmter Datensätze. Projekte in und mit der GND sollten effizient, nachhaltig und nachnutzbar sein. Frau Bicher plädierte für eine Erweiterung des GND Datenbestandes um tiefer erschlossene bzw. hochqualifizierte Datensätze durch eine Mitwirkung der Wissenschaftler*innen.

GND ist häufige Normdatenquelle

Interessante Erkenntnisse übermittelte auch Desiree Mayer von NFDI4Culture in ihrer Darstellung der Ergebnisse einer Umfrage zur Nutzung von Werknormdaten in digitalen musikwissenschaftlichen Projekten. Diese Umfrage wurde im April und Mai 2021 durchgeführt und war daher sehr aktuell. Die Hauptbegründungen für die Nutzung von Werknormdaten in digitalen musikwissenschaftlichen Projekten war die Darstellung projektübergreifender Zusammenhänge sowie die Anschlussfähigkeit und Nachnutzbarkeit von Forschungsdaten. Dabei werden verschiedene Normdatenquellen genutzt, den prozentual größten Anteil hat die GND. Direkt danach kommen jedoch eigene, selbst erstellte Normdatenbanken, was wohl auch mit den sehr speziellen Themen einiger Projekte zusammenhängt. In 11 von 20 Projekten wird immerhin die GND-ID im Forschungsdatensatz verlinkt. Als häufigste Probleme mit der GND wurden von den Projekten gänzlich fehlende Werknormsätze, eine eingeschränkte Nachnutzung (durch mangelnde Schnittstellen) und eine erschwerte Aktualisierungs- bzw. Rückspielmöglichkeit genannt. Auch hier wurden Versionierung und eine einheitliche Definition von „Werk“ vermisst und die Qualität der Datensätze angemahnt.

MiniCon Musik Werknormdaten
MiniCon Musik Werknormdaten

Nach diesen drei aufschlussreichen Vorträgen begann die Diskussion, und zwar in Form einer interaktiven Teilnahmemöglichkeit am Miroboard, hier waren alle eingeladen auf einer Art virtuellem Whiteboard individuell beschriftete und farblich differenzierte digitale Post-Its mit ihren Kommentaren, Vorschlägen, Fragen etc. anzubringen. Die Beteiligung war groß und es gab auch einige virtuelle Antworten und Anregungen. Leider war die Zeit für eine ausführlichere Diskussion zu knapp. Aber es stellte sich heraus, dass die bibliothekarische und die wissenschaftliche Sicht auf Werknormdaten sowohl einige Gemeinsamkeiten als auch einige zum Teil recht große Unterschiede aufweisen.

Resümee der Veranstaltung war: musikwissenschaftliche Forschungsprojekte wollen gerne selber mit ihrem Fachwissen zur GND beitragen dürfen. Eine transparente Versionierung, Adressierung und Rekonstruierbarkeit sind erwünscht. Der Werkbegriff für Musik muss überprüft werden (wie geht man mit Fassungen, Bearbeitungen und Teilen von Werken um?). Zur Klärung dieser Punkte sieht sich NFDI4Culture als Vermittler zwischen Wissenschaft und Bibliothek, auch RISM und die Arbeitsgruppe Musik des Standardisierungsausschusses sind zur Mitarbeit aufgefordert und bereit.

Die Dokumentation der GND-MiniCon-Musik sowie die Vortragsfolien finden sich unter folgendem Link: https://wiki.dnb.de/display/GNDCON/MiniCon+-+Musik+-+Werknormdaten+der+Musik

Was bedeutet das für meine Arbeit in der Musiksammlung unserer Forschungsbibliothek?

Auch wenn ich im Gegensatz zu den meisten meiner Musikbibliothekskolleg*innen nicht einem oder gar mehreren Wissenschaftler*innen vor Ort zuarbeite, ist meine Arbeit (gerade in und mit der GND) doch auf eine wissenschaftliche Nachnutzung ausgerichtet. Daher war es für mich sehr interessant, die wissenschaftliche Sicht unmittelbar gezeigt zu bekommen. Einige Anregungen werde ich für zukünftige Datensatzerstellungen berücksichtigen. Auch für eine geplante Erschließung der Musikmanuskriptsammlung in RISM habe ich inspirierende Erkenntnisse gewonnen. Zum anderen bin ich aktuell Mitglied der Arbeitsgruppe Musik des Standardisierungsausschusses, wo wir in enger Kooperation mit NFDI4Culture die besprochenen Themen der MiniCon aufgreifen und bearbeiten werden.

Beate Schiebl, Musikbibliothekarin am Herder-Institut
Beate Schiebl, Musikbibliothekarin am Herder-Institut

Eine Öffnung der GND für die wissenschaftliche Community ist auch aus bibliothekarischer Sicht wünschenswert, denn davon können beide Gruppen eigentlich nur profitieren. Ich habe ein musikbibliothekarisches Zusatzstudium absolviert und verfüge daher auch über ein musikwissenschaftliches Grundwissen, aber gerade in einer wissenschaftlichen Spezialbibliothek mit einer noch spezielleren Musiksammlung und ihren vielen unikalen Beständen sowie der einzigartigen Handschriftensammlung (weitgehend unbekannter Komponist*innen Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert) wäre eine Mitarbeit spezialisierter Fachwissenschaftler*innen sehr hilfreich. Es wäre schön, wenn allgemein durch die zunehmende digitale Vernetzung ein verstärkter wissenschaftlicher Input und eine größere Transparenz entstehen könnten, was sowohl uns bibliothekarischen Fachkräften die Arbeit erleichtern als auch die Anerkennung unserer Bemühungen durch die Wissenschaft sichtbar machen würde.

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