Überblicken/Erleben

Städte aus der Luft

Städte Niederschlesiens im Luftbild / Miasta Dolnego Śląska na fotografii lotniczej

Unter diesem Titel wurde ein gemeinsames Buch- und Ausstellungsprojekt des Herder-Instituts, des Breslauer Verlags Via Nova, des Historischen Museums der Stadt Breslau sowie des Stadtbüros Wrocław initiiert.

Historische Kulturlandschaft

Niederschlesien gehört zu den Kernlandschaften Europas, dabei war die Lage im Zentrum Mitteleuropas von grundlegender Bedeutung. Die rasche Gründungs- und Entwicklungsphase der Städte unter den schlesischen Herzögen im 13. und 14. Jahrhundert schaffte die Grundlage für den Wohlstand der Region und wurde zugleich zur Grundstruktur ihrer Kulturlandschaft. Umgeben und begehrt von mächtigen Nachbarn wurde sie außergewöhnlich oft zur Arena kriegerischer Auseinandersetzungen und darauffolgender Zerstörungen. Trotzdem blieb die mittelalterliche urbane Gestalt der meisten Städte bis ins 19. Jahrhundert hinein prägender Lebensraum der Einwohner. Erst dann brachte die Industrialisierung eine rasche urbane Entwicklung der Städte um die historischen Zentren, wobei oft anstelle der abgetragenen Befestigungen Promenaden und Parkanlagen angelegt wurden.

Die nächste große Zensur brachte der Zweite Weltkrieg mit sich, vor allem Verluste von Bausubstanz bis zur Verwüstungen ganzer Stadtzentren Niederschlesiens (z.B. Glogau/Głogów, Strehlen/Strzelin, Breslau/Wrocław) kurz vor und auch kurz nach dem Kriegsende. Der Mangel an wirtschaftlicher Kraft sowie die fehlende historische Verwurzelung der neuen Bewohner dieser Region wurden zu wesentlichen Faktoren der Nachkriegsveränderungen, wobei oft anstatt der Rekonstruktion „Modernisierungsmaßnahmen“ in architektonischer Substanz bevorzugt wurde.

Faszination Luftbild
Hirschberg, Hansa-Luftbild, Inv.-Nr. 58790
Hirschberg, Hansa-Luftbild, Inv.-Nr. 58790

In Luftaufnahmen der Zwischenkriegszeit zeigt sich die damalige Faszination der Luftfahrt, sowie die darauffolgende Erfüllung des Urwunsches der Menschen, die Erde aus der Luft zu betrachten. Die Perspektive des Betrachters wurde beinahe unbegrenzt erweitert und konnte anhand der Fotografie festgehalten und gründlich studiert werden. Die Luftbildfotografie fand in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zunehmend Bedeutung für dokumentarische, planerische oder andere kommerzielle Zwecke, wobei die Herstellung der Postkarten und Werbematerialien große Rolle spielten.

Anteil daran hatten Unternehmen, wie das Aerokartographische Institut aus Breslau oder Junkers-Luftbild aus Dessau und schließlich Hansa-Luftbild aus Münster (später Berlin), die 1934 in die Sparte der Deutschen Lufthansa integriert wurden. Aus dem Besitz der Firma Hansa-Luftbild kaufte 1967/68 das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung Glasplattennegative mit Schrägluftaufnahmen zu den historischen deutschen Gebieten: Schlesien, Pommern, die Freie Stadt Danzig und Ostpreußen, die in der Zwischenkriegszeit entstanden sind. Der Bestand wurde digitalisiert und ist heute online recherchierbar im Bildkatalog (www.herder-institut.de/bildkatalog).

Transnationale Kooperation

Seit den 1990er Jahren zeigt sich ein stets zunehmendes Interesse unter den Bewohnern Niederschlesiens an der Region und an ihrer Geschichte, die man als eine Facette des wachsenden lokalen Patriotismus wahrnehmen kann. Dem 2006 von Stanisław Klimek, dem Breslauer Verleger und Fotograf, veröffentlichten Band „Breslau aus der Luft“ (Text: Halina Okólska) mit aktuellen Aufnahmen der schlesischen Hauptstadt folgte 2008 ein weiterer Band „Breslau im Luftbild der Zwischenkriegszeit“ (Texte: Rafał Eysymontt, Thomas Urban). Dieser wurde vom Breslauer Verlag Via Nova gemeinsam mit dem Herder-Institut veröffentlicht und von einer Ausstellung in Polen und Deutschland begleitet. Bei der Arbeit am vorliegenden Band wurde das Konzept geändert, in dem die historischen Bilder den aktuellen gegenüberstellt wurden und einheitliche Kommentare bekamen. Die aktuellen Aufnahmen machte Stanisław Klimek von Flugzeug oder Hubschrauber aus und zuletzt auch durch den Einsatz moderner Drohnentechnik.

Neukonzipierter Bildband
Ausstellungsplakat Miasta Dolnego Slaska
Ausstellungsplakat Miasta Dolnego Slaska

Die historischen und aktuellen Luftbilder trennt beinahe ein Jahrhundert, das die meisten Änderungen der Kulturlandschaft der Städte Niederschlesiens mit sich brachte. Rafał Eysymontt, ein herausragender Experte für urbane Entwicklung Schlesiens aus Breslau, verfasste die Texte zu den einzelnen Städten. Ausgehend von der Entstehungsgeschichte wurden die auf den Bildern erstaunlich gut erkennbaren historischen urbanen Strukturen in ihrem Bestehen und Wandel betrachtet unter besonderer Berücksichtigung der Zeit nach 1945. Sławomir Brzezicki verfasste die Erläuterungen für die einzelnen Bilder.

Ausstellung drinnen und draußen

Dank der finanziellen Unterstützung des Stadtbüros von Wrocław ist begleitend zum Bildband eine Ausstellung entstanden, vorbereitet zusammen mit dem Stadtmuseum Breslau (Muzeum Miejskie Wrocławia). Am 7. Mai 2018 wurde der Ausstellungsteil im historischen Rathaus von Breslau (heute Filiale des Museums für Bürgerliche Kunst) feierlich eröffnet. Bereits eine Woche davor wurde ein zweiter Teil der Ausstellung auf dem Breslauer Stadtmarkt aufgestellt und zog die Aufmerksamkeit vieler Einwohner und Touristen auf sich. Die Ausstellung wird bis zum 30. Juni gezeigt.

Sławomir Brzezicki

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